#38 – Buenos Aires
Dieser Eintrag beginnt mal etwas anders, und zwar mit einem Maleur: Ich habe meinen Bus verpasst! Und zwar aus dem alleinigen Grund dass ich in der Unterkunft noch bequem Serien geschaut und gelesen habe bzw. die Abfahrt falsch im Kopf hatte und eine Stunde später los bin als ich sollte (wegen dem ganzen Flug planen zwischen Iguazu und Rio hatte ich dann die Uhrzeit des ersten Fluges im Kopf). Normalerweise prüfe ich noch immer am Vortag die Abfahrt und sonstige Details, keine Ahnung warum an diesem Tag nicht. Jedenfalls hat es für die nächsten drei Tage keinen freien Platz nach Buenos Aires gegeben, am selben Tag auch keine andere Verbindung Richtung Norden oder irgendwie nur in die selbe Richtung. Oder zumindest war die Dame am Schalter nicht soo hilfsbereit alle Möglichkeiten durchzugehen oder wusst einfach dass es so ziemlich unmöglich ist. In Bariloche ist es zwar schön und das Hostel mega gechillt, aber ich wollte dennoch was von Buenos Aires sehen! Hab dann kurz durchgeatmet und daran denken müssen dass andere Personen Unterkünfte auf anderen Inseln gebucht haben und dies erst bei der Ankunft festgestellt haben (diese Relation des Ärgernisses hilft immer) und bin dann einfach zum Flughafen. Ich wollte einfach nicht den Stress haben jetzt gehetzt Alternativ-Routen zu finden und einfach hoffen dass ich eine Anschlussverbindung haben werde (aber in größeren Städten weiter nördlich denke ich wäre es kein Problem gewesen). Hab mir dann ein Taxi mit zwei Mädels geteilt und hab noch eine Comedy Einlage auf dem Weg bekommen: Ein Typ biegt vor 3 Polizisten gegen die mehrfach gekennzeichnete verbotene Einfahrt, diese Pfeifen und schreien natürlich. Jedoch wurde das Vergehen als nicht so fahrwidrig empfunden dass ich auch nur einer der Polizisten nur einen Schritt bewegt hätte (Einfahrt die eigentlich die Ausfahrt zu einer Art Erdbeerland war). Am Flughafen hab ich dann den billigeren Flug spät Abends gebucht, jedoch auch mit kurzer Herzfrequenzerhöhung denn beide meine Kreditkarten meinten es stehen nicht genügend finanzielle Mittel zur Verfügung. Nach erneuten durchatmen habe ich dann die Karten aufgeladen da ich das monatliche Limit überschritten hatte (Flüge in Südamerika, Flüge und Züge zu Hochzeiten nach der Rückkehr plus Geschenke .. ), den Flug bekommen und auch gleich noch für die eine Nacht ein Hostel gleich neben meinem Bed&Breakfast bekommen. Am Flughafen wollte ich dann nicht eine Stunde lang mit dem Bus fahren und habe mir bei dem Automaten ein Taxi Ticket gelöst, nur um dann festzustellen dass die Warteschlange fast den ganzen Flughafen lang nach hinten ging. Habe einen Security gefragt ob dies die einzige Schlange sei und wie lange es dauert. Und hier habe ich mich selbst gesehen beim Wandern wenn mich Leute fragen wie lange es noch dauert, denn das sind meist die Verzweifelten und Unmotivierten. Beim Wandern versuch ich motivierend zu sein und sag dann immer meine Zeit die viel zu schnell ist und weise darauf hin dass ich aber schnell gehe (außer es würde dann schon dunkel sein oder der Weg technisch schwierig), und der Security hat genau das Selbe gemacht und meinte nur: 20 Minuten geht schnell! Bin ans Ende der Schlange und hab mir im Kopf schon Alternativen überlegt, wollte einfach etwas vor dem Flughafen warten und ein Taxi abfangen, da sehe ich einen Taxler in der Schlange der auch schon genervt Luft ausbläst, Verständnis auf den ersten Blick. Er winkt mich näher und meint nur schnell einsteigen! Das ganze ging nur weil wir noch vor dem Flughafen-Schranken waren, aber es hat wunderbar funktioniert und ich war in 15 Minuten bei der Unterkunft. Hab ihm noch Trinkgeld gegeben (obwohl er die Schrankengebühr auch nicht bezahlen musste) und dann in mein 4er Zimmer. Dieses war einen ganzen Dollar teurer als das billigste Zimmer, aber der Plan ist aufgegangen und ich hatte nur eine weitere Person im Zimmer die im Ausgang war. Gleich ins Bett und eingeschlafen.
Nach dem Frühstück konnte ich dann auch gleich in der anderen Unterkunft einchecken, hab mich nur umgezogen und bin dann gleich los Richtung Norden um in Recoleta und in Palermo die Parks unsicher zu machen. Eigentlich wollte ich ins Museum aber mittlerweile weiß ich ja dass diese Montags geschlossen sind. Was ich nicht wusste, sämtliche Parks auch! Anfangs dachte ich nur es ist der botanische Garten, okay, aber dann beim dritten großen touristischen Rosengarten hab ich es dann eingesehen (das Planetarium zählt anscheinend auch als Museum). Es sind zumindest keine Mauern rundherum und man sieht dennoch die schön angelegten Wege und Bepflanzungen, hab mir das aber dennoch anders vorgestellt.
Aber sonst habe ich folgende erste Eindrücke gesammelt:
- Fußball spielt hier eine so große Rolle dass sogar 3 Jährige schon Matches spielen, war lustig dem zuzusehen, das hatte noch den naiven Spaß Charakter ohne dem kompetitiven Gerangel.
- Jeder mag Hunde, aber nicht jeder geht gerne Gassi bzw. hat die Zeit dafür. Es gibt hier unzählige Hundesitter, ein paar ältere Leute mit so ca. 3 Hunden die sich dann im Park zum Tratschen treffen, oder Jüngere mit bis zu 10 Kötern die aber alle sehr brav und geordnet mitmachen. Auch wird in den Parks brav das Sackerl fürs Gackerl verwendet.
- Obwohl ich im vorigen Beitrag noch von den etwas bewegungs-scheuen Südamerikanern geschrieben habe, sieht es hier in der Stadt gleich ganz anders aus. Kann nicht sagen ob es sich hier in den nobleren Vierteln hauptsächlich um Touristen handelt, oder aber ehrer dass die besser verdienenden wahrscheinlich keine großen körperlichen anstrengenden Jobs haben und deswegen mehr den Ausgleich in den Parks beim Jogen, Inline-skaten oder Walken suchen. Außerdem gibt es regelmäßig Wasserspender!
- Es gibt verschieden europäische Einflüsse, habe bisher den Kolonialstil und den französischer Stil entdeckt (Buenos Aires wird anscheinend auch Paris von Südamerika genannt). Also architektonisch sehr interessant und vor allem auch imposant
- Es leben hier in Buenos Aires Stadt beinahe 3 Millionen Menschen, mit Pendlern aus der umschließenden Provinz (wie Wien Umgebung) 13 Millionen. Dementsprechend haben die Hauptverkehrsstraßen hier bis zu 13 Fahrbahnen, in eine Richtung! Dennoch gibt es in den besseren Vierteln hier viele Radwege, aber diese werden so scheint mir hauptsächlich von Essens-Lieferanten benutzt.
- Es gibt verhältnismäßig wenig Polizeipräsenz (liegt höchstwahrscheinlich daran dass ich endlich in einem Land bin in dem nicht regelmäßig gestreikt wird), aber dafür mit einem hohen Frauenanteil (und nein mir fallen nicht nur die Frauen auf, seit dem mir das bewusst wurde schau ich auch auf die Männer!).
- Die Autos die in Patagonien überall brav für einen angehalten haben wirken hier eher wie Legenden, auch die Tourguides warnen ausdrücklich davor, keiner ist damit zufrieden aber keiner will sich opfern um einen Punkt zu machen. (die höchste Anzahl an Touristen in BA sterben aufgrund des Straßenverkehrs).
- Manchmal piepst der Gehsteig bzw. die Garageneinfahrten und dann muss man auch etwas aufpassen, aber da fahren sie meist sehr vorsichtig hinaus, meist …
- Google hat alle Bus-daten und somit kann man sich hier gut orientieren und den öffentlichen Verkehr auch als Tourist leicht nutzen, ein recht gute ausgebautes Netz jedoch nun im Sommer mit einigen Baustellen. Die Bustüren öffnen interessanterweise sobald der Bus langsamer als 5 km/h fährt, in der Praxis jedoch sobald er zu bremsen beginnt bei gefühlten 30 km/h (kommt wahrscheinlich auf den Fahrer drauf an)
- Wegangaben werden nicht in Minuten sondern in Distanz (Blocks die 100x100m sind) gemacht
- Viele Statuen sind nach vorne geneigt oder in einer dynamisch wirkenden vorwärts Bewegung und nicht so starr oder einfach nur nach vorne zeigend wie so oft in Europa. Ich deute dies als Beitrag für den Fortschritt für das Land und die Gesellschaft, e.g. Unabhängigkeit, gegen Sklaverei, etc.
- Recycling wird hier teilweise von den Obdachlosen vorangetrieben die mit ihren teils gigantischen Anhängern durch die Stadt ziehen und Materialien sammeln.
- Hier in Südamerika ist Dulce de Leche (Karamel-Creme) das Um und Auf, besonders beliebt als Füllung oder Eis. Frage mich warum das nicht in der Schweiz verkauft wird da die ja auch voll auf Karamel abfahren, das wäre eine Geschäftsidee!
- Viele Stangen von Ampeln oder Verkehrsschildern sind mit einer rauen und teilweise kantigen betonartigen Schicht überzogen, um Plakatierung zu verhindern
- Es gibt viele Alleen und es wirkt zumindest hier in den besseren Vierteln sehr schön, will nicht wissen wie heiß es ohne diese Bäume wäre
- Sehr viele ArgentinierInnen haben amerikanisch klingende Namen (Brian, Byron, Jaqueline, etc.), zumindest die jüngere bzw. meine Generation. Koinzidiert vielleicht mit dem Timing in den 90er als der Urlaub im Ausland billiger war und das Internet sowie MTV nach Argentinien kamen.
Beispiele dynamische Statuen
Zur Unterkunft, diese liegt in der Calle French, passend zu meinem angeblichen Akzent. Habe leider erst später gesehen dass nur ein paar Straßen weiter die Calle Austria ist, hätte ich das gewusst … Die Unterkunft ist einen Block vom Parque las Heras und sehr gut mit vielen Buslinien zu erreichen. Innen schön ausgestattet, bequemes Bett mit guten Polstern und sauberes modernes Bad. Das Frühstück ist unter den Besten die ich bisher hatte und ermöglicht mir auch dass ich erst so gegen 15 Uhr zu Mittag esse. Das einzig negative ist diese eine 5cm große Kakerlake die versucht hat zu mir ins Zimmer zu kommen. Hab versucht sie zu terminieren, sie war aber erstaunlich schnell und ist gleich wieder unter der Tür aus meinem Zimmer. Die Türen hier haben recht altmodische Schlösserl mit klobigen Schlüsseln, wäre daher nicht schnell genug gewesen dem Vieh nachzustellen und hoffe es ist jetzt einfach in einem anderen Zimmer. Werde jedenfalls beim Auspacken daheim gründlich schauen ob sie nicht doch auf Urlaub nach Europa wollte.
Sonst habe ich nun jeden Tag eine Walking Tour gemacht von denen ich nun einige Infos / Highlights wiedergeben möchte sowie die jeweiligen Eindrücke der einzelnen Tage:
La Boca – Die erste Tour habe ich dann im südlichen La Boca gemacht, welches am Fluss liegt der die Stadt von der Provinz Buenos Aires trennt. La Boca, zu Deutsch der Mund hat ihren Namen einerseits sinnbildlich da die Waren der Außenwelt durch den Hafen in La Boca den Körper von Argentinien betreten, andererseits auf der Karte betrachtet sieht der geschützte Hafen tatsächlich wie ein stilisiert geöffnete Mund aus. Jedenfalls war dies nicht der erste Hafen (das war Puerto Madera), jedoch der erste große Hafen der von den Briten für den Export der ganzen Waren nach der Unabhängigkeitserklärung gebaut wurde. Die Idee war auch Argentinien durch eine rasche industrielle Entwicklung mit Europa gleichziehen zu lassen, dafür wurden jedoch Arbeiter benötigt, und keine Akademiker. Lediglich die USA haben historisch gesehen mehr Immigration erhalten als Argentinien, und der Großteil davon kam aus Italien (vor allem Genua), gefolgt von Iren, Russos (einheitliche Kategorie für den Balkan) und Juden (der einzig andere koschere McDonalds außerhalb von Israel ist angeblich hier in Buenos Aires). Denn, es wurde Land und eine Unterkunft im Austausch für harte Arbeit versprochen und die freie Immigration sogar in der Verfassung verankert. Jedoch schon der nächste Präsident hatte Angst vor eingeführtem Sozialismus und Anarchie und hat das mit der Unterkunft und Land wieder gestrichen. Somit wurde La Boca sehr schnell zu einem armen, überfüllten Viertel in dem die Leute in quasi Kommunen in Conventillos hausten. Conventillos sind Holzhäuser die mit allen Überresten von der Arbeit zusammengezimmert wurden und dann meist mit Zinnplatten verkleidet wurden. In einem Haus wohnten dann bis zu 200 Personen die alles, vor allem das warme Bett (war billiger zu zweit oder zu dritt ein Bett zu bezahlen wenn man in Schichten darin schlief, davon hat mir meine Großmutter aber auch in Wien erzählt) aber leider auch Krankheiten etc. teilten. Das hat einerseits zu Epidemien aber kulturell auch zum Austausch von Musik, Sprache und Tanz geführt die sehr prägend waren und nun fest in der argentinischen Kultur verankert sind. Einerseits verstehe ich nun auch warum es hier so viel Pizza und Pasta gibt, in sagen wir für mich „neuartigen“ Variationen, aber auch warum die Argentinier viel mit den Händen reden und warum nun andererseits viele nach Italien auswandern. Weiters meinte der Guide dass viele hier glauben italienisch sprechen zu können was dann meist sehr peinlich wird, denn auch wenn argentinisch als Sprache sehr vom italienischen beeinflusst wurde, so war dies vor langer Zeit und die Sprachen haben sich doch etwas anders entwickelt.
Zurück zum Viertel, dieses ist bekannt da es so prächtig bunte farbige Häuser hat (auch viele nette Innenhöfe mit Lokalen und kleinen Geschäften), deren Ursprung auf einen einzelnen Künstler zurückgehen: Benito Quinquela Martin. Adoptiert und ursprünglich aus sehr armen Verhältnissen hat er es dennoch geschafft Künstler zu werden und hat hauptsächlich seine Umgebung, den Hafen und damit verbundenen Objekte und Szenen gezeichnet. Aber er hat diese Gemälde um bunte Farben erweitert um diese fröhlicher und glücklicher wirken zu lassen. Nachdem er dann auch in Europa getourt hat und viele seiner Werke zu guten Preisen verkaufen konnte, hat er dann viel davon wieder in La Boca investiert und die Farben für die Häuser bezahlt um diese so wie in seinen Gemälden zu verwirklichen und andererseits hat er Kunst aus dem Viertel und auch generell in Argentinien gefördert. Einerseits durch die Gründung von Schulen, Schaffung von Räumen für Kunst und die Etablierung des ersten Kunstvereins der „lockeren Schraube“. Man hat quasi eine Schraube locker haben müssen bzw. originell sein müssen um beitreten zu dürfen. Er hatte sogar eine Kapitänsuniform mit Schrauben anstatt von Knöpfen und eine große goldene Schraube als Medaillon. Ich war dann auch noch in seinem Museum, einer der Schulen die er gegründet hat und sogar im obersten Stock wohnte. War nicht groß und es wurde nur eine freie Spende verlangt, aber es waren dann doch viele Werke der feinen klassischen Malerei sowie viele seiner Werke ausgestellt. Aber noch cooler waren seine Räumlichkeiten, vor allem die Küche und das Bad in denen alles eine andere bunte Farbe hatte. Dieser totale Individualismus sowie dann die Terrasse am Dach mit all den Farben hat mich etwas an Gaudi erinnert.
Weiters bekannt ist La Boca noch als Geburtsort des Tangos als Tanz. Anfangs war Tango kein wirklicher Tanz sondern eher ein Kampf in dem Männer versucht haben sich auf die Füße zu steigen oder sich ein Bein zu stellen (die Männerquote war angeblich bei 85% und da sind die halt durchgedreht und mussten irgendwie zeigen wer der Macker ist). Dann hat sich mit der Zeit ein Paartanz daraus entwickelt war jedoch als Immigranten Tanz bekannt und wurde daher von der Oberschicht verpönt. Erst nachdem Tango einen Hype in Paris ausgelöst hatte wurde er dann auch in der Heimat nach und nach von den Obrigkeiten willkommen geheißen. Andere Variationen haben sich zeitgleich in Uruguay und Kuba entwickelt, was jetzt der erste Tango war hat der Guide nicht sagen können. Fun Fact: das Hauptinstrument damals war das Bandoneon und kam ursprünglich aus Deutschland! Es handelt sich um ein Akkordeon und existiert bei uns in Europa in dieser Form nicht mehr, hier aber schon noch.
Und ein letzter Punkt wofür La Boca bekannt ist, natürlich Fußball verbunden: Das Stadion. Dieses ist interessant da während der Bauarbeiten die zweite Hälfte des Grundes doch nicht abgekauft werden konnten und das Stadion anstatt der geplanten ovalen Bonbon Form nun wie ein U aussieht dessen Öffnung man einfach mit einer gigantische Ziegelwand geschlossen hat (ist das von der FIFA kleinst zugelassene Stadtion). Um dennoch genügend Leute hineinzubekommen hat man dann einfach nach oben hin erweitert. Jedenfalls sind die Fans hier so enthusiastisch und hupfen die ganze Zeit dass man das auch angeblich spüren kann und daher wird es als das Stadium mit dem Herzschlag bezeichnet, weiß nicht ob das unbedingt beruhigend ist wenn man dann ganz Oben auf der Tribüne steht. Maradonna hat auch 3 Jahre in diesem Club gespielt, es gab dann noch die Geschichte mit der Hand Gottes und dass Pele gesagt haben soll er hatte mehr Angst in diesem Stadium zu gewinnen als zu verlieren da es hier so arg zugehen soll. Grund dafür ist aber auch die „Schallmauer“ die hier alles verstärkt und es deswegen hier wirklich ein intensives Erlebnis sein soll. Außerdem gibt es natürlich einen Erzrivalen der Boca Juniors, River Plate. Die Boca Juniors waren damals einer der wenigen Sport Clubs die nicht von Briten (wie in so vielen anderen Sportarten auch: Rugby, Polo, Tennis) gegründet wurde und irgendwann war es dann zu eng hier. Das erste Derby hat dann darüber entschieden wer ausziehen musste und die Boca Juniors haben offensichtlich gewonnen. Die River Plates sind dann in den Norden in ein reicheres Viertel, wurde dann auch hämisch die Hennen genannt die davon gerannt sind. Die Boca Juniors ihrerseits haben frei übersetzt den Spitznamen Scheiße-Schaufler erhalten (die Pferdekot von der Straße geschaufelt haben). Aber anstatt sich darüber zu ärgern hat das ihre Identität beschrieben, die hart arbeitende Menge die Stolz ist auf ihr Leben und ihr Team. Es gibt auch hier natürlich Hooligans (deswegen hatte Pele wahrscheinlich Angst), und ich habe einmal sogar eine Entourage von 5 Bussen mit grölenden Boca Fans gefolgt von zig Polizeiautos und Motorrädern gesehen. Es wirkte so als ob sie von einem Spiel gekommen sind und die Polizei anfangs den Schutz der anderen Fans gewährleisten wollte und anschließend dass diese dann erst daheim wieder feier und keine Unruhe stiften. Kann ich nicht genau sagen, das war mein Eindruck.
Während der Tour haben wir noch einige Murals gesehen die hier wirklich politische Statements setzen und als Memorials dienen. Einerseits für die freiwilligen Feuerwehrleute (die erste in Südamerika da die professionelle Feuerwehr oft nicht in das arme Viertel kam) die natürlich in einem Viertel von Holzhäusern alle Hände voll zu tun hatten und andererseits für die Protestbewegungen der Frauen die gegen das Verschwinden und die Entführungen der Diktatur gekämpft haben (und sogar noch heute Donnerstags demonstrieren bis sie ihre Kinder zurückbekommen, wird nicht passieren aber sie sind ein lebendes Mahnmal und halten die Erinnerung aufrecht!).
Der wirklich schöne Teil des Viertel sind nur ein paar Blocks, der Rest ist dann eher wie in Quito etwas schäbig und hier sogar gefährlicher, bin daher nicht zu viel herumgewandert. Das Viertel jedoch ist voll mit Restaurants und Bars in dem alle Kellner keck mit Hüten herumrennen und jedes Lokal eine Bühne hat auf der verschiedene Tanzpaare für eine freie Spende für Unterhaltung sorgen, recht nett aber seeehr touristisch. Bin dann lieber ins Martin Museum und in die Stiftung Proa in der gerade eine Anish Kapoor Ausstellung ist. Hat mir nichts gesagt aber die meisten werden seine Silberbohne (Cloudgate) in Chicago kennen. Es gab nicht viel aber dafür interessante Objekte, einerseits mit dunkelblauem Samt überzogene/besprühte Felsen die dadurch ihre Kanten verloren haben, einen gigantischen Wachs-Block der langsam bei Säulen vorbeifährt und abreibt sowie auf der Hinterwand eine stachelige Struktur hinterlässt, eine Kanone die Wachs-Patronen in eine Ecke geschossen hat, Spiegelsäulen und zwei gekrümmte Spiegel ähnlich der Bohne mit dem passenden Titel „Double Vertigo“ / Doppel-Schwindel. Das war echt krass zwischen denen hindurch zu gehen und sich dann einerseits vielfach zu sehen, aber teils umgekehrt und teils abgeschnitten, krasse Perspektive jedenfalls. Wollte dann noch in den großen Park hinter Puerto Madera – Reserva Ecologica Costanera Sur, aber siehe da: der war mit meinem Glück an diesem Tag auch wieder geschlossen! Bin dann die Promenade entlang gegangen an der lauter Statuen berühmter Sportler aufgestellt waren, nur Messi’s wurde demoliert (hab da vor einiger Zeit sogar in der Zeitung gelesen), keine Ahnung warum er das noch einmal verdient hat.
Recoleta – Die zweite Tour war im nobleren Viertel (Buenos Aires hat eine Nord/Süd Demografie-Verteilung) und wir haben anstatt der 4 Blocks ganze 35 Blocks zurückgelegt. Hier wurde uns hauptsächlich über die Archtiektur und Geschichten einzelner Gebäude erzählt: der Oper, Palacio San Martin, Basilica del Santisimo Sacramento und den Kavanagh Turm. Dazu gab es Einblicke in die Geschichte, Politik und fehlerbehaftete Versuche die Inflation zu stoppen, sowie unterhaltsame Stories über die Bewohner der zuvor erwähnten Gebäude, ihrer Fehden und am Schluss am Recoleta Friedhof gings noch um Evita und dem absurden Versteckspiels ihres konservierten Körpers. Was ich noch dezidiert erwähnen will ist der Fakt dass damals bei der Begrünung der Unabhängigkeits Prachtstraße extra ein Franzose geholt wurde um diese sowie auch viel Parks in Buenos Aires zu planen. Dieser hat dann die Bäume so ausgewählt dass es das ganze Jahr über blühende Exemplare gibt, ist nur hier mit diesem vorteilhaften Klima möglich. Hab mir dann noch den Rest des Zentrums angesehen, das Kongresshaus, den rosa Präsidentenpalast und bin nun endlich in der Reserva Costanera Sur sowie in Telmo spazieren gegangen. In der Reserva war es sehr idyllisch mit viel Lärm von Fröschen, Zikaden und Vögeln und einem nicht ganz so schönen Meerblick. Hat mich kurz erschreckt warum das Meer hier so bräunlich ist, liegt aber wahrscheinlich daran dass Buenos Aires an den Mündungen der Flüsse Uruguay und Parana liegt. In Telmo wollte ich nur zum Markt schauen, dieser hat viele hippe Shops und auch einige Antiquitätenläden sowie Restaurants und Bars. Generell ist das Viertel dort sehr entspannt und hat mich mit all seinen kleinen Boutiquen doch sehr an den Spittelberg in Wien erinnert, liegt vielleicht auch am Kopfsteinpflaster dass ich bisher nur hier gesehen habe.
Grafiti / Street art – Der dritte Tag war ganz im Namen der Kunst. Am Vormittag hab ich mir noch den Rosengarten angesehen der zwar schön angelegt ist aber nicht übermäßig viel geblüht hat, also im Vergleich zum letzten den ich gesehen habe in London, aber mit dem können glaub ich auch nicht so viele mithalten. Dann gings noch in den japanischen Garten, da habe ich auch nur eine Referenz und zwar in Zürich. In Zürich ist er wesentlich kleiner aber dafür kann man mehr auf Steinen gehen und es ist cooler dort durchzugehen sowie es wunderschöne Pagoden gibt. Leider kenne ich aber den Zürcher Garten nur als halbe Baustelle und deswegen war dieser hier wesentlich idyllischer.
Gleich daneben ist der Park/Platz der Deutschen, und zwar hat Deutschland diesen Platz/Brunnen zur 100 Jahresfeier von Argentinien gespendet. Also hat es schon sehr früh (1910) ein gutes Verhältnis gegeben. In einer Tour wurde auch erwähnt dass Peron als Spion unter anderem in Italien und Deutschland ausgebildet wurde und wahrscheinlich deswegen auch gute Beziehungen zu diesen totalitären Staaten hatte, später die Nazis unterstützt hat und dies auch ein Grund dafür war warum so viele Deutsche nach Argentinien ausgewandert sind. Es gibt natürlich auch andere Plätze von anderen Nationen die ich nicht alle besucht habe und das mit den frühen guten Beziehungen nun auch nur eine Vermutung ist, aber es würde schon gut passen … Nur ein kleines Stück weiter ist das MOBA Kunstmuseum, wird von allen Seiten empfohlen, leider war nur der erste Stock geöffnet da gerade für eine Ausstellung renoviert/aufgebaut wird. Die Sammlung war dann nicht so groß wie erwartet hat aber einen guten/kurzen Überblick von der feinen bis zur modernen Kunst Südamerikas gegeben. Audioguides hätte man sich aufs Handy laden können, aber ich hatte nicht so viel Zeit da ich dann weiter zur Walking Tour musste.
Die Tour hätte dann fast eine halbe Stunde früher angefangen, mit einer gigantischen amerikanischen Gruppe die schon länger gemeinsam unterwegs zu sein schien, jedoch war das eine Privat-Tour mit der ich zwar mitgehen hätte dürfen, aber mich dann doch lieber für die anderen kleinere Walking Tour entschieden habe. Diesmal waren wir statt 70 nur 20 Leute, echt überschaubar! Gleich am Anfang hat sich dann auch herausgestellt dass es sich um eine Street Art und nicht nur Graffiti Tour handelt, der Unterschied fragt ihr euch: Graffiti ist meist illegal und repräsentiert Schriftzüge und Texte. Street Art ist zwar in Sammelbegriff wird aber eher für die erlaubte bzw. beauftragten Werken. Geschichtlich betrachtet gab es Graffiti bereits in der Antike begonnen mit Parolen gegen die Machthaber (man rufe sich „Leben des Brian“ in Erinnerung), wobei jedoch die moderne Form erst durch Hip Hop aus den Staaten in New York und Philadelphia entstanden und verbreitet wurde. Während den Diktaturen vor allem der Letzten hat man aber sein Leben riskiert wenn man aufbegehrt hat (sowie Materialien schwer erhältlich und teuer waren, Farben wurden deswegen meist selbst hergestellt), deswegen hat sich die Szene hier etwas verzögert entwickelt. Erst in den 90ern als wegen der Hyperinflation der Peso 1:1 mit dem Dollar gestellt wurde konnte man endlich reisen (und der Urlaub war im Ausland auf einmal billiger) und externe Eindrücke wurden importiert, unterstützt durch das Aufkommen des Internets und Empfang von MTV hat somit die amerikanische Kultur und Graffiti nun auch in Argentinien Fuß gefasst. Da Materialen aber noch immer teuer (und es nur 8 Farben als Sprühdosen gab) sowie die Strafen recht hoch waren hat man sich anfangs und teilweise noch immer auf Plakate spezialisiert. Diese konnte man im Vorhinein vorbereiten und waren schneller aufgehängt. Es gibt dann auch spezielle Plätze/Wände an denen Künstler diese aufhängen und diese eine sehr dynamische Kunstfläche darstellen, denn es wird ständig überklebt. Graffiti ging dann von den Tags, Bombas, Free-Texts auch zu politischen Statements über die einerseits sehr direkt sein können oder indirekt mit Wortspielen/witz sowie Slang dargeboten werden oder aber manchmal auch einfach nur die Gemüter erheitern wollen (auf sehr argentinische Art und Weise mit für uns eher anzüglichen oder verwerflichen Wortspielen). Aus dem ganzen hat sich dann auch eine Kunstszene heraus entwickelt und diese hat Anklang gefunden, denn solche Werke verunstalten das Eigentum nicht sondern erhöhen mittlerweile sogar den Wert! Hier fragen Künstler Hauseigentümer mit Skizzen ob sie diese anbringen dürfen, und meistens wird dem gerne zugestimmt bzw. beauftragen mittlerweile Eigentümer von Restaurants und Geschäften die Künstler. Die ganze Tour hat in Palermo im armenischen Viertel stattgefunden, dieses war vor 2 Jahrzehnten noch eine Problemzone und ist nun super hip. Die Stadt will dies nun weiter (und hat teilweise auch schon) unterstützen sowie auch anscheinend andere Städte wie New York, London, Berlin und vor allem Belfast ?? Jedenfalls ist es echt toll so viel bunte Häuserfronten und Geschäftsläden zu sehen, kenne das bisher nur aus Valencia. Habe zig Fotos gemacht und habe versucht die besten zu nehmen, sind dennoch ziemliche viele, vielleicht mache ich dafür einen extra Blogeintrag und schreib dann noch die Hintergründe zu den einzelnen Werken dazu nieder (derjenigen die in der Tour dabei waren).
Generell waren die Touren ausgezeichnet, vom gesprochenen Englisch, von den Informationen und auch der Aufbereitung. Unbeschreiblich wie viel besser als in Lima, und das trotz der bis zu 70 Personen! Außerdem haben die Tourguides am Ende noch angeboten mehr Informationen für Bars etc. auszusenden, haben Apps wie „Hoy milonga“ (milongas sind Tanzlokale und dieses App listet jeden Tag wo gerade was los ist) und auch Geld-Transfer Möglichkeiten wie Western Union und Apps Xoom, Azimo und eine weiteres vorgeschlagen welche den Straßen-Wechselkurs anbieten der bis zu 25% höher ist als in Wechselstuben (habe nun auch Azimo verwendet, ist aber leider nur in größeren Städten möglich und konnte es bisher leider nicht benutzen).
Habe am letzten halben Tag dann noch extra die Oper besucht (die akustisch unter den Top 5 weltweit ist, derzeit aber leider auf Sommerpause ist) und eine Führung gemacht. Diese war im Vergleich zu den anderen jetzt nicht so aufregend. Das Englisch war zwar auch gut aber der enthusiasmus nicht mitreißend sowie die die Geschichten zu Details in den Walking Touren bereits besser dargestellt wurden als hier. Haben dann aber ein paar extra Fakten bekommen und durften die doch sehr prunkvolle Eingangshalle, den goldenen Salon und eine der Logen besichtigen. Und der Publikumsbereich ist dann doch wirklich riesig, es passen bis zu 2700 Leute herein, wobei einige davon auf den Stehplätzen ganz oben. Die waren für die italienischen Immigranten die ihre Heimat vermissten und ein wenig Trost in italienischen Opern fanden, sie haben zwar nichts gesehen aber die Akustik soll dort oben ausgezeichnet wenn nicht am Besten sein. Auch als Anekdote, Pavarotti meinte er hätte Angst hier zu singen denn die Akustik ist so perfekt dass man sofort jeden Fehler bemerken würde, das heißt schon mal was. Das Opernhaus selbst hat sehr viele verschiedene Stile, liegt daran dass sie von 3 Architekten verwirklicht wurde, die Einrichtung etc. hat sich aber sehr stark an einer damaligen französischen elitären Gesellschaft orientiert welche auch maßgeblich Mode, Kunst, Kultur und anderen Themen in hohen Kreisen hier geprägt und bestimmt hat.
Sonst wollte ich noch einmal die Basilica Santisimo besuchen die ein handwerkliches Meisterstück sein soll, die war jedoch geschlossen, man konnte in die Krypta hinunter die auch schön war aber sehr schlicht. Somit bin ich dann noch ein wenig so herumgegangen und habe mir die Regierungsgebäude und die Kathedrale angesehen.
Habe nun viel gesehen aber da ich dann doch jeden Tag 8-10 Stunden auf den Beinen war hat es am Abend dann etwas an Motivation gemangelt bzw. hätte ich nun erst einmal Gewand einkaufen müssen um in die Tango Shows, Konzerte oder auch nur in eine Bar am Abend gehen zu können. Aber es gibt hier eh noch so viel mehr zu sehen, dass wird dann beim nächsten Mal nachgeholt. Jetzt kann man nur hoffen dass ich das nächste mal noch jung genug dafür sein werde ^^. Zusammenfassend war Buenos Aires viel schöner und sogar atemberaubender als erwartet, ganz anders als die anderen Großstädte die ich bisher gesehen habe (liegt wahrscheinlich an den vielen europäischen Einflüssen) und würde es auf jeden Fall weiterempfehlen!
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